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Die Geschichte des Internets

Strategie der Angst Weiter

Der kalte Krieg zwischen Ost- und Westblock erreichte mit dem atomaren Wettrüsten in den 50er Jahren einen unrühmlichen Höhepunkt. Auf Kommunikationsebene nahm das amerikanische Miltär mit seiner Ausrüstung an Computern weltweit einen Spitzenplatz ein, aber man erkannte die Achillesferse bisheriger Netztechnologien: die Netzknoten. Fiel nur ein Knoten aus, bedeutete dies den Stillstand des gesamten Netzes. Und eine zerstörte Kommunikation gilt in militärischen Kreisen als die strategische Niederlage schlechthin. Damit war klar, dass man für die Zukunft eine Technologie benötigte, die auch bei Ausfall mehrerer Elemente die Funktionalität aufrecht erhielt. Die vom amerikanischen Verteidigungsministerium gegründete Forschungsabteilung Advanced Research Projects Agency ARPA (1957) unterstützte daraufhin die Forschungen nach resistenten Netzstrukturen und -protokollen.

1962 wurde von der RAND Corporation der erste Vorschlag eines paketvermittelnden Netzwerkes veröffentlicht, das die Datenübertragung beim Ausfall eines Teils der Vermittlungsrechner garantierte. Wichtigste Erkenntnisse dieser Theorie waren der Verzicht auf zentrale Entscheidungseinrichtungen (keine steuernde Instanz) und die Zerlegung von Nachrichten in Teile konstanter Größe (Pakete). Diese Merkmale kennzeichnen auch die Arbeitsweise des heutigen »Internets«.

Schon damals existierten durch unterschiedliche Hardware Inkompatibilitäten zwischen den im Netzwerk vorgesehenen Rechnern. Man benötigte somit ein einheitliches Datenformat. Die weiteren Forschungen erbrachten die Einführung eines Interface Message Prozessors (IMP), der, an jedem Host angeschlossen, mit jedem IMP kommunizieren konnte. Die Formatumsetzungen mussten somit im Protokoll zwischen Rechner und IMP erfolgen. Den Interface Message Prozessor könnte man als Vorgänger der Netzwerkkarte bezeichnen.

Das ARPANET Zurück Anfang Weiter

Wieder war die ARPA federführend und initiierte eine Ausschreibung zur Entwicklung der Interface Message Prozessoren und eines Netzwerkes, das bis zu 16 Standorte miteinander verbinden können sollte. Als Pilotprojekt wurde Ende 1969 ein Netzwerk zwischen den Universitäten Los Angeles, Santa Barbara, Stanford und Utah errichtet. Dieses Referenznetzwerk gilt als Anfang des ARPAnet.

Überraschend gebührt der Ruhm des ersten einsatzfähigen Netzwerkes auf paketvermittelnder Basis den Briten, die dieses bereits 1968 in Großbritanien in Betrieb nahmen. Auch in Frankreich hatten die Forschungen zu paketvermittelnden Netzen begonnen.

Vermutlich aufgrund der unterschiedlichen Hardware-Plattformen und dem damit verbundenen Aufwand bei der Implementierung der Protokolle für jede IMP-Rechner-Kombination wurde das angestrebte Ziel mit 23 Rechnern, die an 15 Knoten angeschlossen waren, erst 1971 erreicht. In den selben Zeitraum fielen auch die ersten Vorschläge für die Protokolle TELNET und FTP.

Zwei Jahre später (1973) kamen zu den nun 33 Knoten innerhalb der Vereinigten Staaten die ersten beiden Anbindungen aus Übersee hinzu (Großbritannien, Norwegen). Erstmals sah man sich mit dem Problem der inkompatiblen Protokolle konfrontiert, da nur innerhalb des ARPAnet mit dem Network Control Protocol (NCP) eine einheitliche Richtlinie existierte, die nun hinzukommenden Netzwerke aber eigene Protokolle verwendeten.

TCP/IP Zurück Anfang Weiter

Noch im September 1973 lag der erste Entwurf eines Transmission Control Protocols (TCP) vor, das auch heute noch - unter diesem Namen - einen Eckpfeiler des Internet-Protokoll-Stacks markiert. Die anfänglichen Eigenschaften beinhalteten sowohl die Sicherung der Übertragung als auch deren Adressierung.

1975 brachten Bolt, Beranek and Newman (BBN) mit dem Telnet das erste kommerzielle paketvermittelnde Netzwerk auf den Markt, im folgenden Jahr nahmen das auf dem Amateurfunkdienst basierende Packet Radio Network (PRNET) und das Atlantic Packet Satellite Network (SATNET) ihren Betrieb auf.

1977 erkannte man bei Versuchen mit der Übertragung von Sprache die Unzulänglichkeiten der Kapselung von Datensicherung und Adressierung in einem Protokoll, da im Falle eines Übertragungsfehlers das erneute Senden zu einer verminderten Qualität der Sprachausgabe - bedingt durch die Verzögerung - führte. Man benötigte ein »unsicheres« Protokoll, das die Daten einfach ins Netz sendete, ohne auf eventuelle Probleme der Übertragung anzusprechen. Die Überlegungen führten zur Trennung der vom bisherigen TCP erledigten Aufgaben in ein Protokoll, das einzig für die Adressierung zuständig ist Internet Protocol (IP) und eines, das den Datenfluss steuert (TCP). Als »unsicheres« Protokoll konnte anstelle von TCP auf das User Datagram Protocol (UDP) zurück gegriffen werden.

1978 schließlich lagen die Protokolle IP, TCP und UDP im Wesentlichen in der noch heute verwendeten Fassung vor.

Neue Netze Zurück Anfang Weiter

Zwei Studenten verbanden 1979 zwei Unix-Rechner über eine Telefonverbindung miteinander. Zur Datenübertragung nutzten sie Unix to Unix Copy (UUCP). Das Netzwerk funktionierte, indem eine Nachricht von einem Rechner auf einen Server übertragen wurde, welche diese speicherte und bei nächster Gelegenheit (Telefonverbindung) diese an den nächsten Server weiter gab, bis alle Rechner eine Kopie der Nachricht besaßen. Eine weitere Neuerung war die hierarchische Anordnung der Nachrichten nach thematischen Gesichtspunkten. Dieses Netzwerk hat bis heute als USENET überlebt.

Im gleichen Jahr datierte die Grundsteinlegung für das auf TCP/IP basierende Computer Scienes Network (CSNET), zu dem sich vor allem die nicht im ARPAnet integrierten Universitäten der USA zusammenschlossen. Allerdings dauerte es bis zur praktischen Realisierung noch zwei Jahre, während zum preiswerteren USENET binnen Jahresfrist bereits 15 Rechner zählten.

Nach Verabschiedung der Standards für TCP/IP erfolgte im Jahre 1982 die Umstellung des gesamten ARPAnets. Das NCP hatte damit ausgedient. In Europa wurde indes das EUnet installiert, das im Wesentlichen auf Basis des USENET arbeitete.

Ebenfalls 1982 wurde der Standard für ein Email-Protokoll verabschiedet.

1983 wurde das ARPAnet in ARPA Internet umbenannt und alle militärischen Einrichtungen der USA in ein neues Netzwerk (MILNET) integriert.

Durch die Aufnahme des TCP/IP-Codes in die Berkeley UNIX-Implementierung (Version 4.2) erhielt der Protokollstack eine starke Aufwertung. Auch MSDOS-Rechner erhielten mit den FidoNet Zugang zum sich entwicklenden Internet.

1984 wurde die Grenze von 1000 vernetzten Rechnern überschritten. Das Problem der Adressierung neu hinzukommender Rechner führte zur Einführung des Domain Name Services (DNS). Bis dato musste jeder integrierte Rechner lokal eine Datei speichern, die sämtliche Adressen der erreichbaren Rechner im Netz enthielt. Schwer zu handhaben war schon seit längerem die Größe der »Datenbank« (man bedenke die damaligen Speicherdimensionen und -kosten); mit fortschreitender Ausbreitung des Netzwerks kam nun noch die Frage nach der Aktualität einer solchen Datei hinzu.

Geschwindigkeit Zurück Anfang Weiter

Das neue Netzwerk (NSFNET) der National Science Foundation (NSF) verband 1986 5 Supercomputerstandorte der USA miteinander. Die Übtragungsrate der Daten betrug immerhin 56 kBit/s. Die NSF ermöglichte außenstehenden Institutionen, ihre Netzwerke an das NFSNET anzukoppeln. Da das Angebot reges Interesse fand, erhöhte man die Leistung der Verbindungen auf 1.5 Megabit/s, um dem gestiegenen Datenaufkommen Herr zu werden. Etwa zur gleichen Zeit entstand das Network News Transfer Protocol (NNTP), das die Daten des USENET über TCP/IP-Verbindungen transportieren konnte, auch führte man Mail Exchanger ein, um Rechnern den Nachrichtenaustausch zu ermöglichen, die über keinen (permanenten) Zugang zum Internet verfügten. Erste europäische Länder wurden 1988 ins NFSNET integriert.

1988 nahmen ca. 60000 Rechner am weltweiten Verbund teil, als der »Internet-Wurm« zahlreiche Computer blockierte und erstmals die Problematik der Sicherheit der Netzwerke verdeutlichte.

1989 erhielt u.a. Deutschland Anschluss an das NFSNET.

Den Überblick bewahren... Zurück Anfang

Einher mit dem anhaltenden rasanten Wachstum des Internets (ca. 300000 Rechner 1990) ging die Flut an Informationen, die auf den weltweit verteilten FTP-Servern lagerte. »Dass es das Dokument irgendwo gibt«, war nicht die Frage, es galt die Information zu finden.

In Montreal wurde 1990 »archie« entwickelt, ein Programm das regelmäßig einen Schnappschuss von in seiner Region befindlichen FTP-Servern generierte, und diese mit »Inhaltslisten« mit anderen Archie-Servern austauschte. Gewissermaßen handelt es sich um die erste »Suchmaschine« des Internet.

Eine komfortablere Navigation durch die Datenbestände des Netzes ermöglichte das 1991 veröffentlichte GOPHER, das erstmals eine grafische Menüführung präsentierte.

Archie und Gopher ermöglichten somit die Suche nach Dateien mit bestimmten Namen, aber erst das Wide Area Information System (WAIS, 1991) ermöglichte eine Volltextsuche, also das Durchsuchen von Dokumenten nach enthaltenen Textpassagen.

Die Zahl der im Internet verbundenen Rechner näherte sich Ende 1991 700000, im Jahr darauf wurde die Millionengrenze durchbrochen. Die wichtigen Neuerungen im Jahr 1992 waren die Einführung einer Multicast-Übertragungstechnik und der Multipurpose Internet Mail Extensions (MIME) als Erweiterung des bisherigen Mailprotokolls, womit auch das Senden von Bildern u.a.m. ermöglicht wurde.

Mit dem Rückzug der NFS 1993 wurde die zentrale Verwaltung des Internet aufgegeben. Es besteht seitdem aus zahlreichen unabhängigen Netzwerken, die über verschiedene Punkte miteinander gekoppelt sind. Gleichzeitig wurde der inzwischen standardisierte Vorschlag zur Aufweitung des IP-Adressbereichs von damals 32 Bit auf 128 Bit eingebracht, um den schon zu jener Zeit absehbaren Zuwachs gerecht zu werden (4 Millionen 1994). Da die Adressvergabe allerdings nur von einer zentralen Institution vorgenommen werden kann, wurde noch 1993 das Internet Network Information Center (InterNIC) ins Leben gerufen.

Die Anzahl heute am Internet teilnehmenden Rechner ist schwerlich abzuschätzen, da zum einen hinter manchen offiziellen IP-Adressen sich zahlreiche Rechner verbergen, die über Proxi-Mechanismen mit der »Außenwelt« kommunizieren und zum anderen die meisten privaten Rechner nur temporär eine Verbindung unterhalten. Prognosen gehen daher von bis zu 1 Milliarde verbundener Rechner aus.

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